Das Bundesamt für Veterinärwesen hat nach Artikel 19a des Tierschutzgesetzes vom 9. März 1978 (SR 455; TSchG) den Auftrag, jährlich eine Statistik zu veröffentlichen, welche sämtliche Tierversuche (bewilligungspflichtige und nichtbewilligungspflichtige) erfasst und die notwendigen Angaben enthält, um eine Beurteilung der Anwendung der Tierschutzgesetzgebung zu ermöglichen.


1.1 Bewilligungsverfahren

Als Tierversuch gemäss Artikel 12 TSchG gilt jede Massnahme, bei der lebende Tiere mit dem Ziel verwendet werden, eine wissenschaftliche Annahme zu prüfen, Informationen zu erlangen, einen Stoff zu gewinnen oder zu prüfen oder die Wirkung einer bestimmten Massnahme am Tier festzustellen; ausserdem gilt das Verwenden von Tieren zur experimentellen Verhaltensforschung als Tierversuch.

In der Schweiz ist für sämtliche Eingriffe und Handlungen an Tieren zu Versuchszwecken bei den kantonalen Behörden ein Gesuch einzureichen (vgl. Art. 13a TSchG). Versuche, die nicht mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder Angst verbunden sind und keine Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens zur Folge haben, sind nicht bewilligungspflichtig. Tierversuche, die den Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in schwere Angst versetzen oder sein Allgemeinbefinden erheblich beeinträchtigen können, sind hingegen bewilligungspflichtig und auf das unerlässliche Mass zu beschränken (Art. 13 TSchG). Bewilligungen für Versuche werden wissenschaftlichen Leitern von Instituten und Laboratorien erteilt, wenn ihre Institution über zweckmässige Einrichtungen für die Haltung der betreffenden Tiere verfügt und geeignetes Personal vorhanden ist. Die Tierversuche müssen unter der Leitung einer erfahrenen Fachperson durchgeführt werden. Die Tiere müssen vor, während und nach dem Versuch betreut werden. Schmerzen, Leiden oder Schäden dürfen einem Tier nur zugefügt werden, soweit dies für den verfolgten Zweck unvermeidlich ist (Art. 15, TSchG). Die Tiere sind vorsichtig an die Versuchsbedingungen zu gewöhnen. Falls ein Versuch mehr als geringfügige Schmerzen zur Folge hat, darf er nur unter lokaler oder allgemeiner Betäubung durchgeführt werden. Tiere, die erheblich belastet wurden, dürfen nicht in weiteren Versuchen eingesetzt werden. Wenn ein Tier nach einem Eingriff nur unter Leiden leben kann, muss es schmerzlos getötet werden (Art. 16 TSchG). Über bewilligungspflichtige Tierversuche ist ein Protokoll zu führen (Art. 17 TSchG). Die kantonalen Behörden überwachen die Versuchstierhaltung und die Durchführung der Tierversuche. Sie erteilen die Bewilligungen auf Antrag einer unabhängigen Tierversuchskommission, der auch Vertreter des Tierschutzes angehören (Art. 18 TSchG).

Der Vollzug des Gesetzes obliegt den Kantonen (Art. 33 TSchG), das Bundesamt für Veterinärwesen übt die Oberaufsicht aus (Art. 35 TSchG). Gegen Verfügungen betreffend Tierversuchsbewilligungen hat das Bundesamt das Beschwerderecht (Art. 26a TSchG).

1991 wurde die Tierschutzgesetzgebung revidiert: Hauptpunkt war die Einführung des Behördenbeschwerderechts (s.oben: Art. 26a TSchG). Weitere wichtige Änderungen betrafen die Präzisierung des "unerlässlichen Masses" von Tierversuchen und den Einbezug kantonaler Tierversuchskommissionen, denen TierschutzvertreterInnen angehören (s.oben: Art. 18 TSchG). Diese Änderungen haben seit 1992 zu einer Verschärfung des Vollzugs im Bereich der Tierversuche geführt.

Am 14. Mai 1997 ist die Tierschutzverordnung erneut revidiert worden, inklusive zweier Änderungen im Bereich Tierversuche. In Übereinstimmung mit dem Bericht der Multilateralen Konsultation vom 27. November 1992 zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz der für Versuche oder andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere wurde die Aus- und Weiterbildung derjenigen Personen, die Tierversuche durchführen oder leiten im Bereich der Labortierkunde inhaltlich und umfangmässig vorgeschrieben (Art. 59d - 59f TSchV). Ausserdem wurde die maximal zulässige Gültigkeitsdauer von Tierversuchsbewilligungen von generell zwei auf drei Jahre ausgedehnt (Art. 61a TSchV). Damit wurde den in der Praxis beobachteten Verbesserungen bei der tierschutzkonformen Durchführung von Tierversuchen sowie bei der korrekten Abfassung der Gesuche für Tierversuche Rechnung getragen. Die durch diese administrative Entlastung freiwerdenden Kapazitäten werden im Zusammenhang mit der Aus- und Weiterbildung sowie im Bereich der gentechnisch veränderten Tiere dringend gebraucht.


1.2 Inhalt der Jahresstatistik über Tierversuche in der Schweiz

In der vorliegenden Statistik sind alle Wirbeltiere (Säugetiere, Vögel, Amphibien, Reptilien und Fische) sowie Dekapoden und Cephalopoden (Zehnfusskrebse und Kopffüsser) aufgeführt, welche sich zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen 1. Januar und 31. Dezember 2003 in einem Tierversuch befanden. Mitgezählt werden ausserdem Tiere, die zwar im Berichtsjahr 2002 im Versuch waren, aber in der Statistik 2002 nicht gezählt wurden, weil die Berichte viel zu spät eingetroffen sind (2 600 Tiere; vgl. Kap. 4.2, 5.2).

Im Gegensatz zur Statistik für den Europarat wurden die Tiere, die schon im Vorjahr im Versuch waren, erneut erfasst. Tiere, die 2003 in verschiedenen Tierversuchen eingesetzt wurden, sind - soweit die notwendige Information vorhanden war - nur einmal gezählt.

Die Bewilligungen für Tierversuche werden im Kapitel 2 behandelt. In Kapitel 3 ist die Entwicklung im Zeitverlauf von 1983 - 2003 dargestellt: Gesamttierzahl, Anzahl Primaten sowie gentechnisch veränderte Tiere (1992 - 2003).
Kapitel 4 bezieht sich auf Tierversuche, die dem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in schwere Angst versetzen oder sein Allgemeinbefinden erheblich beeinträchtigen können und somit nach Artikel 13a TSchG eine kantonale Bewilligung erfordern (bewilligungspflichtige Tierversuche).
Kapitel 5 betrifft ausschliesslich jene Tierversuche, welche die Tiere nicht belasten (nichtbewilligungspflichtige Tierversuche) und Kapitel 6 umfasst jene Versuche, die im Feld mit Wildtieren durchgeführt werden und wenig belastend sind (Wildbiologie).


1.3 Europaratsabkommen über Versuchstiere

Das Europäische Übereinkommen vom 18. März 1986 zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere sieht vor, dass die Vertragsparteien ausführliche statistische Daten zu Tierversuchen nach genauer Vorlage erheben. In der Schweiz ist das Übereinkommen seit dem 1. Juli 1994 in Kraft.

Die Tabellen der vorliegenden Jahresstatistik entsprechen weitgehend diesen Vorlagen des Europarates. Aus verschiedenen Gründen gibt es jedoch gewisse Unterschiede, so dass für den Europarat spezielle, leicht abweichende Tabellen angefügt werden (ER-Tabellen).
Zum einen stimmen die Definitionen, was ein Tierversuch ist, zwischen dem Tierschutzgesetz und dem Europaratsabkommen nicht ganz überein. Entsprechend werden in den Tabellen für den Europarat nur jene Tierversuche gezählt, die dem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in schwere Angst versetzen oder sein Allgemeinbefinden erheblich beeinträchtigen können (d.h. jene gemäss Artikel 13 und 13a des Tierschutzgesetzes: bewilligungspflichtige Tierversuche).

Zum anderen enthalten die Tabellen des Europarates nur jene Tiere, die im Kalenderjahr zum ersten Mal in einem Tierversuch eingesetzt wurden. Im Gegensatz dazu sind für die vorliegende Jahresstatistik alle Tiere gezählt worden, die zu irgendeinem Zeitpunkt des Kalenderjahres in einem Tierversuch waren, ungeachtet dessen, ob sie schon im Vorjahr eingesetzt und gezählt worden waren oder nicht. Dies ist der Grund, weshalb die Zahlen in den Europarats-Tabellen einige Prozent tiefer liegen (für die Primaten, Katzen, die meisten Nutztiere sowie Amphibien ist der Unterschied grösser, da diese Tierarten häufig über mehr als ein Jahr in wenig belastenden Tierversuchen eingesetzt werden).

Ein dritter Unterschied betrifft die Wirbellosen: Während sich das Europaratsabkommen nur mit Wirbeltieren befasst, schliesst die Schweizerische Gesetzgebung auch gewisse Wirbellose mit ein (Zehnfusskrebse und Kopffüsser).

Dies kann je nach Jahr zahlenmässig kleine Unterschiede bewirken.


1.4 Belastung in Tierversuchen: Schweregrade

Seit 1995 wird auch die Belastung der Tiere in den Versuchen erfasst und ausgewertet. Zur Methodik der Einteilung und Erfassung dieser Schweregrade sei auf die Informationsschriften des Bundesamtes verwiesen (BVET 800.116-1.04 für die prospektive Einteilung der Versuche in Schweregrade, BVET 800.116-1.05 für die retrospektive Einteilung). Im Schweregrad 0 (SG0) sind Eingriffe und Handlungen eingeteilt, die den Tieren keine Schmerzen, Leiden oder Schäden oder schwere Angst zufügen und ihr Allgemeinbefinden nicht erheblich beeinträchtigen (wenn ganze Tierversuchsvorhaben prospektiv in SG0 eingeteilt werden, handelt es sich um nichtbewilligungspflichtige Tierversuche: vgl. Kap. 5). SG1 bedeutet eine leichtgradige Belastung der Tiere, SG2 eine mittlere und SG3 eine schwere Belastung der Tiere mit schweren Schmerzen, andauerndem Leiden oder erheblicher oder andauernder Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens.

Als typische Beispiele für SG0-Versuche können Verhaltensbeobachtungen angeführt werden sowie Blutentnahmen bei grösseren Tieren (Hund, Kuh), tierschutzkonformes Töten von Tieren zur Entnahme von Organen ohne vorangehende Behandlung. Zu dieser Kategorie sind oft die Kontrolltiere zu zählen, die in vielen Versuchen keine belastende Behandlung erfahren.

SG1-Versuche können oberflächliche operative Eingriffe wie das Setzen eines Dauerkatheters in periphere Blutgefässe oder eine retrobulbäre Blutentnahme beinhalten. Ebenfalls in diese Kategorie gehört das Halten von Tieren unter leichtgradig eingeschränkten Bedingungen, wie der Pyrogentest am Kaninchen.

Eine SG2-Belastung kann durch die Summe verschiedener Eingriffe wie wiederholte Blutentnahme unter Kurznarkose zustande kommen oder chirurgische Eingriffe unter Allgemeinanaesthesie betreffen, die postoperative Schmerzen, Leiden oder Störungen des Allgemeinenbefindens hervorrufen. Im Bereich Toxikologie werden anhaltende, mittelgradige Reaktionen erwartet (z.B. Tests nach den OECD-Richtlinien 404, 405, 406). Ebenfalls einer mittelgradigen Belastung entsprechen Infektionsversuche mit deutlichen Symptomen, gewisse Ischaemiemodelle sowie Hirnlaesionen, die zu messbaren Verhaltensänderungen, nicht aber zu eigentlichen funktionellen Ausfällen führen.

SG3 umfasst Operationen mit Thoraxeröffnung oder andere Eingriffe mit massiven postoperativen Beschwerden, Konvulsionsversuche ohne vollständigen Bewusstseinsverlust oder mit Wiedererlangen des Bewusstseins nach der Konvulsion, Endotoxinschock am wachen Tier, Wirksamkeitsversuche im Rahmen der Prüfung von Vakzinen. Ebenfalls schwerbelastend sind jene toxikologischen Modelle, die Letalität erwarten lassen.

Die Schweregrade werden einerseits prospektiv und andererseits retrospektiv zugeteilt. Prospektiv, d.h. vor Versuchsbeginn, wird einem Versuch als Ganzes der höchste zu erwartende Schweregrad zugeteilt. Nach Versuchsabschluss, also retrospektiv, wird die tatsächliche Belastung jedes einzelnen Tieres festgestellt. Diese liegt für einen Teil der Tiere tiefer als der prospektive Schweregrad (z.B. Kontrollgruppe), kann aber in Einzelfällen, beispielsweise bei fehlerhafter Behandlung eines Tieres, auch höher liegen. Im Bereich der Toxikologie hängt der retrospektive Schweregrad einerseits von der Giftigkeit und Applikationsart der geprüften Substanz ab und andererseits von der Dosierung der verschiedenen Tiergruppen.

Generell sagt die potentielle Belastung der Testanordnungen (prospektiver Schweregrad) nur bedingt etwas über die aktuelle Belastung (retrospektiver Schweregrad) aus. Je nach Schädlichkeit der geprüften Substanzen sind die Auswirkungen für die Tiere gravierend oder nicht. Als Beispiel sei die Auswertung für den Draize-Test erwähnt (Augenirritation nach OECD-Richtlinie 405; prospektiv SG2): 82% SG0/SG1, 17% SG2 und 1% SG3.

Dieser Unterschied zwischen prospektivem und retrospektivem Schweregrad führt retrospektiv zwischen SG0 und SG1 zu etlicher Unsicherheit. Aus diesem Grund wurden SG0 und SG1 in der vorliegenden Statistik zusammengefasst.